Granularzelltumor in der Lunge
Granularzelltumor in der Lunge
Im März 2020 wurde eine zwölfjährige Warmblutstute zur endoskopischen Untersuchung der Atemwege vorgestellt. Vorberichtlich wurde bei der Stute 2017 eine tumoröse Erkrankung (Granularzelltumor) im Bereich des Brustraumes (Thorax linksseitig) diagnostiziert. Zu diesem Zeitpunkt zeigte die Stute ein deutlich beeinträchtigtes Allgemeinbefinden einhergehend mit Gewichtsverlust. Davon erholte sich jedoch relativ schnell wieder, und war bis vor einigen Wochen klinisch unauffällig. Seit 4 Wochen fällt die Stute jedoch mit unspezifischen Schmerzsymptomen (kurzzeitige hochgradige Lahmheiten der Vordergliedmaßen einhergehend mit einem Muskeltremor, Liegen in Seitenlage) auf, so dass eine erneute Evaluierung des Zustandes des Pferdes erfolgte.
Die Stute wurde klinisch, labordiagnostisch (arterielle Blutgasanalyse (aBGA)), endoskopisch und sonographisch untersucht. Zusätzlich erfolgte eine zytologische und labordiagnostische Untersuchung von Sekret aus der Luftröhre.
Zum Zeitpunkt der Vorstellung zeigte die Stute ein annähernd unauffälliges Allgemeinbefinden, einhergehend mit einem guten Ernährungs- und Pflegezustand (BOdy Condition Score (BCS) 5). Die Atemfrequenz war geringgradig erhöht (20 Atemzüge/min). Auskultatorisch waren linksseitig keine Atemgeräusche hörbar, rechtsseitig waren geringgradig Rasselgeräusche im Bereich des gesamten Lungenfeldes wahrnehmbar. Die Stute hatte weder Fieber noch Nasenausfluss. Die Mandibularlymphknoten waren unauffällig, und die restlichen Körperlymphknoten waren nicht zu palpieren.
Die Werte der arteriellen Blutgasanalyse zeigten eine gesenkte Sauerstoffsättigung des Blutes (pO2), sowie eine deutliche Beeinträchtigung des Gasaustausches im Bereich der Lungenbläschen (Alveolen) und der Gefäße (PO2(A-a)).
In der endoskopischen Untersuchung zeigte sich hochgradig mukopurulentes, zähvisköses Sekret (Menge 4/5, Viskosität 5/5) im Bereich der Luftröhre (Abb. 1), in der Region der Bronchialaufzweigung (Abb. 2) und in den kleinen Bronchien (Abb. 3). Linksseitig hinter der Bronchialaufzweigung wurden multiple flächige Schleimhauterhebungen (Abb.4), sowie mehrere stark vaskularisierte, polypenähnliche Umfangsvermehrungen mit zum Teil oberflächlichen Leukoplakien (puffreisartige Oberfläche) festgestellt (Abb. 7,8). Die Umfangsvermehrungen führten teilweise sichtbar zu einer sehr deutlichen Obstruktion (Verlegung) der Bronchien (Abb. 5,6).
In der sonographischen Untersuchung wurden linksseitig multiple großflächige Umfangsvermehrungen im Bereich des schallkopfnahen Lungengewebes dargestellt.
In der labordiagnostischen Untersuchung wurde zytologisch die Diagnose einer mukopurulenten (schleimig-eitrig) Entzündung gestellt. Das Zellbild war bestimmt von neutrophilen Granulozyten mit teils phagozytierten kokkoiden Bakterien. In der mikrobiologischen Untersuchung konnte das Bakterium Strep. equi zooepidemicus isoliert werden.
Im Rahmen der Untersuchungen wurden folgende Diagnosen gestellt:
1. Granularzelltumor im fortgeschrittenen Stadium
2. Bakterielle Sekundärinfektion mit S. equi zooepidemicus
Bei endobronchialen Granularzelltumoren handelt es sich um sehr seltene Lungentumore, die in den häufigsten Fällen gutartig sind und sehr langsam wachsen, sowie fast nie metastasieren. In der Humanmedizin gilt die vollständige chirurgische Entfernung als Behandlung der ersten Wahl, was bei Pferden jedoch sehr schwierig ist. Bei wachsender Größe führen diese endobronchialen Geschwülste durch Verlegung der Atemwege zu einer Beeinträchtigung der Atem- und Lungenfunktion, wie es bei der vorgestellten Stute linksseitig offensichtlich ist. In Fallberichten aus der Humanmedizin wird diese Tumorart als nicht schmerzhaft beschrieben, obwohl sie aus Nervenzellen hervorgeht. Die von dem Pferd gezeigten Schmerzzustände sind mit großer Wahrscheinlichkeit durch eine Kompression von angrenzenden Strukturen z.B. Nervenknoten (Plexus brachiales), Lungen- und Brustfell (Pleura) zu erklären. Auch ein invasives Wachstum in den Plexus brachiales oder andere nervale Strukturen und dadurch bedingte Parästhesien (Missempfindungen) sind nicht auszuschließen. Weiterhin sind als Schmerzauslöser auch Einschmelzungs- und Entzündungsprozesse auch im Bereich des Tumorgewebe möglich.
Leider ist der Stute nur noch palliativ zu helfen. Um Schmerzdurchbrüche zu vermeiden, erhält sie ein multimodales Schmerzmanagement, sowie eine antimikrobielle und entzündungshemmende Medikation. Bei der genannten Therapie handelt es sich um eine palliative Unterstützung der Stute.
Sollte die Stute weiter unter Schmerzdurchbrüchen leiden, oder auch „nur“ matt und apathisch erscheinen, weniger fressen oder eine sonstige Verschlechterung Ihres Allgemeinbefindens zeigen, sollte sie zeitnah erlöst werden. Pferde zeigen als Fluchttiere Schmerz relativ spät, so dass auch nur dezente Veränderungen im Verhalten als Schmerz zu werten sind. Die oben beschriebenen Schmerzzustände würde ein Mensch mit großer Wahrscheinlichkeit auf einer Skala von 0-10 (10 ist der schwerste Schmerz) als 10 bewerten. Sollten trotz der Medikation diese Zustände auftreten, ist es für die Stute am besten, wenn sie von Ihren Leiden erlöst wird.