Hämolytische Anämie beim Pferd
Hämolytische Anämie beim Pferd
Vorgestellt wurde eine dreijährige Shetlandponiestute. Initial zeigte die Stute eine milde Koliksymptomatik nach exzessiver Aufnahme von Grünfutter (Luzerne, Klee) und wurde spasmoanalgetisch (krampflösend und schmerzlindernd) behandelt. Drei Tage später zeigte das Tier eine verminderte Halsbeweglichkeit und ein gestörtes Allgemeinbefinden. Das Fressen vom Boden war nicht möglich.
Bei der Erstuntersuchung zeigte das Pferd ein hochgradig gestörtes Allgemeinbefinden. Das Pferd schwankte und war somnolent (eingeschränktes Bewusstsein). Die Schleimhäute waren porzellanfarben mit einer nicht messbaren kapillären Füllungszeit. Die Herzfrequenz betrug 68 Schläge pro Minute und die Atemfrequenz 24 Atemzüge pro Minute. Das Pferd hatte zu diesem Zeitpunkt auf allen vier Quadranten eine sistierende (eingestellte) Darmperistaltik und zeigte eine hochgradige Hämaturie (Blut im Urin). Der ventrale (untere) Halsbereich war druckdolent (schmerzempfindlich), die Muskulatur war massiv verhärtet, es lag eine erhöhte Oberflächentemperatur vor und das Pony zeigte eine deutliche Einschränkung der Mobilität des Halses. Die Venae jugulares waren beidseits nicht anstaubar.
Das kleine Blutbild zeigte eine hochgradige Leukozytose, einhergehend mit einer hochgradigen Anämie („Blutarmut“). Die aktivierte partielle Thromboplastinzeit, sowie die Prothrombinzeit lagen im Referenzbereich (Test zur Gerinnung des Blutes). Zudem zeigte der Anstieg des Base Excess und der Laktatkonzentration eine hochgradige metabolische Azidose (Übersäuerung). Enzymaktivitäten der Muskulatur und der Leber als auch bei den Elektrolytwerten, dem Harnstoffwert und dem Kreatininwert wurden deutliche Referenzwertabweichungen festgestellt. Im Differentialblutbild wurde eine deutliche Kernlinksverschiebung festgestellt. (Dabei werden unreife Zellen aus dem Knochenmark freigesetzt, wenn ein erhöhter Verbrauch an Zellen festgestellt und diese benötigt werden.) Anhand der Erythrozytenmorphologie wurden eine Anisozytose und das Auftreten von teils hypochromen Erythrozyten festgestellt. Die Erythrozytenparameter waren zu diesem Zeitpunkt nicht messbar. Aufgrund der lang andauernden Inappetenz lag außerdem eine Hyperlipämie vor.
Im ventralen Halsbereich kam es zur Reifung eines Abszesses, der gespalten wurde. Die mikrobiologische Untersuchung des Exsudates ergab eine bakterielle Besiedelung mit Streptococcus equi sp. zooepidemicus.
In der sonographischen Untersuchung des Halses stellte sich die ventrale Halsmuskulatur deutlich aufgelockert mit diffus hyperechogenen Bereichen (Abb. 1) dar. Es konnten keine pathologischen Befunde erhoben werden.
In der röntgenologischen Darstellung des Thorax (Abb.2) konnten keine pathologischen Befunde erhoben werden. Die röntgenologische Darstellung des Halses waren multiple diffuse Gaseinschlüsse im kranialen Drittel des ventralen Halsbereiches (Abb. 3) zu erkennen.
In der endoskopischen Untersuchung des Ösophagus und der Trachea konnten keine pathologischen Befunde erhoben werden.
Im Rahmen der Untersuchungen wurden folgende Diagnosen gestellt:
Die Stute wurde über mehrere Tage intensivmedizinisch betreut. Sie erhielt mehrere Vollbluttransfusionen, wurde mit Vollelektrolytlösung infundiert, erhielt eine systemische Antibiose und bekam entzündungshemmende Medikamente, sowie Medikamente zur Unterstützung der Magen-Darm-Schleimhaut. Der subfasziale Abszess im Halsbereich wurde drainiert.
Nach 6 Tagen zeigte das kleine Blutbild noch eine geringgradige Anämie, alle weiteren labordiagnostischen Parameter befanden sich im Referenzbereich:
7,93 Leukozyten (5-10 G/l)
15 % Hkt (33-37 %)
5,6 dl GE (5,5-7,5 g/dl)
Die Abszessöffnung zeigte eine gute Granulationstendenz. Nach weiteren zwei Wochen zeigte die Stute ein gutes Allgemeinbefinden.
Die hämolytische Anämie ist ein Resultat einer gesteigerten Zerstörung von zirkulierenden Erythrozyten, meist bedingt durch das Mononucleäre-Phagozyten-System (extravaskuläre Hämolyse), oder durch eine Zerstörung intravaskulär. Die häufigsten Ursachen einer hämolytischen Anämie sind Infektionskrankheiten (Equine Viruserteritis (EVA), Equine Infektiöse Anämie/Blutarmut der Einhufer (EIA)), Endoparasiten (Babesien, Hämobartonellen), Intoxikationen (Azetaminophen, Kupfer, Zwiebel) und sekundäre autoimmunhämolytische Anämien bedingt durch virale oder bakterielle Erkrankungen.
In dem oben geschilderten Fall ist von einer sekundären autoimmunhämolytischen Anämie auszugehen. Diese Erkrankung steht häufig in Zusammenhang mit Clostridien- oder Streptokokkeninfektionen, ausgehend von Abszessen.